Infoseiten - Vorwort
Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam stabile Brücken bauen
Ich arbeite seit 35 Jahren mit Native Americans (Indianern) zusammen. Wir haben im Rahmen von Projekten gemeinsam viele pädagogische Einrichtungen besucht. Dabei ist ein Konzept entstanden, dass sich im Laufe der Jahre bewährt hat. In den Ferien-Zeltlagern und Tipi-Camps herrschte ein fröhliches Miteinander. Doch solche Projekte und Ferienfreizeiten werden kaum noch angeboten und dadurch schwindet auch die Möglichkeit, Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen Wissen über die indigenen Stammesnationen Nordamerikas zu vermitteln.
Zu Beginn der Diskussionen über kulturelle Aneignung und das Wort "Indianer" hatten wir die Hoffnung, dass endlich ein Umdenken stattfinden würde, doch stattdessen stehen wir nun vor verhärteten Fronten und inzwischen gibt es Veranstaltungen, die nach dem Motto "Jetzt erst recht" nahezu sämtliche Klischees erneut bedienen. Es besteht ganz offensichtlich das Bedürfnis liebgewonnene Spiele aus der eigenen Kindheit neu zu beleben.
Auch ich habe als Kind mit meinen Freunden "Indianer" gespielt. Cowboys kamen auch darin vor, doch die meiste Zeit ging es um Konflikte mit Siedlern. Die Indianer waren für uns Helden, weil sie das Land vor Ausbeutung und Zerstörung schützten. Geprägt durch die Winnetou-Geschichten strebten wir in unseren Spielen nach Frieden und Gerechtigkeit. Viele Jahre später tauschte ich mich mit einem indianischen Freund über Kindheitserinnerungen aus. Neben "Ritter" oder "Römer" haben sie auch "Cowboys und Indianer" gespielt, aber es gab dabei einen sehr großen Unterschied zu unseren Spielen. Eine seiner Aussagen hat mich zutiefst berührt:
Alle wollten die Cowboys spielen, aber keiner von uns wollte ein Indianer sein, denn diese waren immer die Verlierer.
Während ich zu Karneval stolz in meinem "Indianerkostüm" auf die Straße gegangen bin, hatten Native Americans in den USA noch nicht einmal das Recht, ihre eigenen Zeremonien zu praktizieren. Das Tragen von Trachten (Regalia) war erlaubt, aber viele Eltern, die durch die gewaltsamen Umerziehungsversuche in den Internatsschulen traumatisiert waren, scheuten davor zurück, das Wissen über alte Traditionen an ihre Kinder weiterzugeben. Sie wollten ihnen solche schrecklichen Erfahrungen ersparen. Ein älterer Native American erzählte mir unter Tränen, dass ihm deshalb seine Eltern kein Lakota beigebracht haben.
Native Americans erhielten erst 1978 durch ein neues Gesetz mit dem Titel "American Indian Religious Freedom Act" das Recht auf Religionsfreiheit. Zu diesem Zeitpunkt war ich fast 14 Jahre alt und schon mehreren "indianerkostümen" entwachsen. Mein großes Interesse hat nie nachgelassen und so lernte ich schließlich im Alter von knapp 25 Jahren bei einem Powwow in Deutschland Native Americans kennen.
Um dorthin zu gelangen, wo ich heute stehe, bin ich einen weiten und oft steinigen Weg gelaufen. Ich musste mich von vielen stereotypen Vorstellungen verabschieden. Darunter auch solche, die von einem großen Teil der Bevölkerung in Deutschland als positiv empfunden werden. Sie stehen jedoch einem Austausch auf Augenhöhe massiv im Weg. Genau deshalb ist es eine Herzensangelegenheit von mir, meine Erfahrungen zu teilen. Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, dass auf der Basis des gegenseitigen Respekts eine stabile Brücke zwischen den verschiedenen Nationen entsteht.